Freitag, 19. November 2010

Butterwegges Grundlagen des Staates: Bedürftigkeitskontrollen und Massenschikanen?

Eine neuartige Staatstheorie aus dem "linken" Lager im Verzweiflungskampf gegen das BGE * Antwort an Professor Butterwegge

Vorweg
Am 9.11.10, ein Tag nach der legendären Anhörung im Petitionsausschuss mit Susanne Wiest zum "Bedingungslosen Grundeinkommen", gab es eine erstaunlich gute ard-Sendung.

Ein netter Mensch hat das Wesentliche (z.B. die Gedichte rausgelassen) als dreiteiliges youtube-Video verarbeitet :
HR 2 │Grundeinkommen 2 (Butterwegge)

Moderator der Sendung ist Florian Schwinn. In der Sendung kommt im Wesentlichen nur ein bge-Gegner zu Worte (in der Radiosendung ab 32 Min 30 Sek.; Video Nr. 2). Ein Prof. Dr. Christoph Butterwegge wird interviewt. Er ist Politikwissenschaftler an der Universität Köln und Autor des Buches “Armut in einem reichen Land.” Wir verarbeiten das komplette Interview.


Das Interview und einige Anmerkungen

Moderator: In ihrem Buch gibt es mehrere Kapitel zum bedingungslosen Grundeinkommen, der Untertitel des ersten ist: “Weiterentwicklung oder Zerstörung des Sozialstaates ?”
Das war der Vorwurf den wir eben schon mal gehört haben. Wieso kann ein Grundeinkommen den Sozialstaat zerstören ? Ist es nicht eher “Sozialstaat für alle” ?

Butterwegge: Nein, ich fürchte [Panik!], daß ein solches bedingungsloses Grundeinkommen von den anderen Problemen, von der Finanzierung jetzt mal abgesehen, dazu führen würde, daß die Grundlage des Sozialstaates zerstört würde und das ist die Bedarfsgerechtigkeit, also Menschen die viel brauchen und wenig haben, auch stark zu unterstützen. Alle über einem Kamm zu schehren, also Sozialpolitik nach dem Gieskannenprinzip zu machen, kann es meines Erachtens nicht sein. Bei den meisten Modellen, auch bei denen die sie vorgestellt haben ist es ja so, daß vieles zerschlagen wird, was den Sozialstaat ausmacht. Das betrifft vom Kindergeld über das BAFöG bis hin zu den Sozialversicherungen und vor allem werden meistenteils die Arbeitgeber, die Unternehmer, und die Milliardäre wie Götz Werner entlastet, durch die Art der Finanzierung.
Also eine ganze neuartige Panikmache vor Gießkannen und Gleichmacherei, ausnahmsweise mal aus dem "linken" Lager. Der Professor hat auch ein neues Wort geschaffen "Bedarfsgerechtigkeit". Zwar berücksichtigt unser Staat bei seinen Steuereinnahmen bereits Einkommens- und Vermögensverhältnisse und kann dies via demokratischer Volksvertretung gegebenfalls noch optimieren, aber unsrem wackeren Professor reicht das nicht. Auch und besonders bei den Ausgaben sollen Einkommens- und Vermögensverhältnisse berücksichtigt werden. Nur wer "bedürftig" ist, soll unterstützt werden. Diese Bedarfsgerechtigkeit dient dem Wohle der "Armen". Sie sollen sich freuen, daß speziell nur sie mit der Gießkanne begossen werden und nicht etwa wohlhabende "Klassenfeinde". Und umgekehrt sollen sich diese "Klassenfeinde" mächtig ärgern, sie beteiligen sich zwar an der Finanzierung der ganzen Gießerei, bleiben selbst aber trocken. Zur Strafe!

Das Dumme an dieser "Gerechtigkeit" ist nun, daß über 10 Mio Bürger als "Hilfebedürftige" drangsaliert, schikaniert und bis zum Bett kontrolliert werden, denn sie müssen angekrochen kommen und ihre "Bedürftigkeit" nachweisen. Nicht einmal im Leben, sondern Monat für Monat, manchmal Jahr für Jahr, schleppen sie gesammelte Quittungen, Kontoauszüge, Mietverträge, Einkommensnachweise ihrer Angehörigen und sonstigen Krempel in tausende Verwaltungen, wobei sie und ihre Angehörigen nebenbei noch als Sozialschmarotzer oder gar als Kriminelle angesehen und mit der Rückzahlung aller bisherigen Leistungen bedroht werden. Ja schlimmer noch, ein Gutverdiener wird allenfalls aus Jux etwas beantragen, was ihm nicht zusteht. Wenn es abgelehnt wird, was macht das schon? Ganz anders bei den "Bedürftigen", die auf zusätzliche Mittel angewiesen sind. Wenn ihre Anträge zu spät entschieden oder gar abgelehnt werden, was dann?

Das Sein bestimmt das Bewußtsein*1). Schon um sich nicht des Betrugs verdächtig zu machen dürfen "Hilfebedürftige" nicht aufrechten Gangs in die Behörden, sie sollten arm und elend wirken, vor satten Bürokraten jammern und betteln. So erzeugt unsre Gesellschaft als Butterweggesche "Grundlage" eine Riesenarmee jammernder, bettelnder "Hilfebedürftiger".

Der Bedarf nach (steuerfinanzierten) Büchern wie “Armut in einem reichen Land” ist groß. Wer nicht arm ist, will doch wenigstens über Armut und Elend etwas lesen! Eine neuartige Form von Solidarität.
Daß speziell Herr Butterwegge sich vor den bge-Fans fürchten muß ist klar. Die bge-Fans, ob liberal oder links, ob Althaus, Werner, Wiest oder Kipping, sie alle wollen seine Existenzgrundlage zerstören.

Megaout für satte Politprofessoren ist „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, geknechtetes, verlassenes, verächtliches Wesen ist“ *2). Es lebe die Bedarfsgerechtigkeit!

Weiter Butterwegge: Götz Werner, beispielsweise, möchte zur Finanzierung dieses bedingungslosen Grundeinkommens alle Steuern abschaffen die er selber als sehr Reicher zahlen muß, nämlich Einkommenssteuer, Gewerbesteuer und die Körperschaftssteuer *** Unternehmen. Und das zeigt, glaube ich, daß die ganze Diskussion in eine falsche Richtung läuft.

Moderator: Also wenn er sich aber einen neuen Porsche kauft, was er als Anthroposoph wahrscheinlich nicht machen wird, dann zahlt er auch entsprechend mehr Luxussteuer, die er dann ja ***

Butterwegge: Ja, außer er geht eben beispielsweise nach New York, um der Gattin ein Brilliantring zu kaufen, was der jetzige Hartz IV Empfänger und dann Grundeinkommens Bezieher eben nicht kann. Er muß in seinem Stadtteil dann womöglich 50% Mehrwertsteuer auf die Waren zahlen, und deswegen sind das alles, für mich jedenfalls, falsche Versprechungen. Also da wird mit der Begründung „es ginge gerechter zu“ eine Gleichmacherei betrieben, allen das Gleiche zu geben, in Wirklichkeit läuft es darauf hinaus, auf eine starke Entlastung derjenigen, die am meisten haben und die eigentlich stärker herangezogen würden [werden müssen].

Herrn Butterwegges einzige Sorge, neben seinen Armutsbüchern, sind irgendwelche "Reichen", daß die blos nicht ungeschoren davon kommen. Man beachte auch das psycho"logische" Denken: Jemand will einen Porsche (in D) kaufen, stellt fest, daß darauf ja Luxussteuern liegen. Was für eine Gemeinheit! Aus Rache setzt er sich ins Flugzeug und kauft stattdessen einen Brilliantring in New York! Ätsch, den Staat beschissen! Steuern gespart! So kauft sicherlich Herr Butterwegge ein, nicht etwa, wie normale Menschen, was er braucht, sondern das, wo er am meisten spart. Der ideale Konsument also!
Ansonsten wird dieses Argument -ich kauf im Ausland, weil da dann ohne Mehrwertsteuer- gerne gegen das konsumsteuerfinanzierte BGE angeführt. Nun gehen aber die Konsumsteuerfritzen zurecht davon aus, daß alle bisherigen Steuern und Abgaben im Preis der Waren enthalten sind. Entfallen sie und werden durch eine Konsumsteuer ersetzt, ändert sich am Preis nichts. Wenn der Brillantring nach Einführung eines BGE in den USA billiger wäre, müßte er dies auch jetzt schon sein.

Weiter Butterwegge: Das gilt nicht für solche Modelle wie das der Linken beziehungsweise der Fraktion bei den Linken unter der Führung von Katja Kipping, die eben stärker durchaus die Wohlhabenden und Reichen besteuern wollen, aber ganz ganz viele Modell und vor allem die, das fürchte ich, die sich am Ende durchsetzen würden, also zum Beispiel das angeblich solidarische Bürgergeld von Dieter Althaus und der entsprechenden CDU Kommission, das wäre gerade unsolidarisch.
Wir "fürchten" ebenfalls, das linke "Modell" hat wenig Zukunft, nicht nur weil es relativ unwahrscheinlich ist, daß die Genossin Kipping die Genossin Merkel ablösen wird, vor allem schimmert immer ein Stück Butterwegge durch das "emanzipatorische" Gerede. Dieses "linke" Modell erscheint meist als Mittel zum Zweck. "Arme" und "Bedürftige" stehen nicht im Mittelpunkt. Es geht darum mittels BGE "Reiche" ordentlich zu quälen. Was heute anscheinend nicht geht, das schöne BGE solls dann richten: eine "gerechte" Verteilung des ganzen Zasters.

Die Verteilungsfrage muß bei einem BGE aber gar nicht gelöst werden: Politik hört mit der Einführung eines BGE nämlich nicht auf. Parteien werden sich nicht auflösen und auch von der Abwicklung der Volksvertretung kann keine Rede sein. Es ist also auch auf Grundlage eines BGE möglich die Verteilungsfrage weiter zu beackern.

Und das ganze mit dem "vorher" und "nachher" ist eh Augenauswischerei, schon nach 10 Jahren, weiß keine Sau mehr, ob es Milliardären oder Wohlhabenden "vorher" besser oder schlechter ging. Das weiß man nur von den "Armen", die es dann so nicht mehr gibt. Nichtzuletzt muß man nicht dem Wahn verfallen, daß die heutige Generation etwas schafft was ewig gilt. In zehn Jahren sind die heutigen Kinder Erwachsene und wohlmöglich werden sie sagen: Was interessiert uns das Geschwätz von vorgestern?

Zu erwarten ist, daß mit einem BGE ausgestattet viel weniger Leute existenzielle Probleme haben und ihnen diese Verteilungspsychose, die mittlerweile an einen religiösen Wahn erinnert, vollkommen am Arsch vorbeigeht. Genau davor fürchten sich viele. Mit der "Armut" als Forschungsobjekt und Kulturinhalt geht dann auch die "revolutionäre Reservearmee" flöten.

Moderator: Gut, das haben wir ja eben schon gehört, wenn wir genau aufgepasst haben, wer 600.- Euro kriegt und dann noch 200.- Euro ***

Butterwegge: Genau ! Das ist weniger, im Grunde, als Hartz IV und gleichzeitig wird alles abgeschafft was den Sozialstaat ausmacht, nämlich das was Arbeitslosenversicherung, das was Unfallversicherung , was Rentenversicherung beinhaltet, nämlich auch Lebensstandardsicherung und ich bin, was Herr Schneiders Ergebnisse angeht, sehr sehr skeptisch, daß sie wirklich zutreffen.
Der letzte Strohhalm, an dem sich Butterwegge und wenige andere halten. Panikmache! Es wird hier kein Sozialstaat abgeschafft, daher ist der Titel der Sendung (das Ende des Sozialstaats) auch etwas irreführend: Vielmehr konzentriert sich der Sozialstaat wieder auf die "wirklichen" sozialen (Un-)Fälle. Mittel für Mehraufwand für Bürger, die nicht klar kommen, sind auch in einer bge-Gesellschaft möglich, nur muß der Bedarf nach zusätzlichen Mitteln, genau wie heute, nachgewiesen, beantragt und nach üblichen Gesetzen bewilligt werden. Es geht hier also "nur" darum, die Anzahl der "Hilfebedürftigen" und der Antragsteller von heute 10-20 Mio entsprechend zu verringern.
Heute belagern Millionen "Hilfebedürftige" sämtliche sozialen Einrichtungen inclusive Gesundheitswesen, nicht selten ein Gebrechen vortäuschend. Die "wirklich" Hilfebedürftigen bleiben dabei vollkommen auf der Strecke. Soziale Einrichtungen wie Jugendamt, Resozialisierung, Frauenhaus, Therapieplatz, Pflegefall, sie alle sind primär mit der nackten Existenz, Essen und Wohnen ihrer "Kunden" beschäftigt. Durch ein Grundeinkommen würde das wegfallen. Die Anzahl der "Hilflosen" näme rapide ab und das Sozialpersonal könnte sich auf Aufgaben konzentrieren, für das es eigentlich ausgebildet wurde. Um das einzusehen, reicht ein Blick in gute alte Zeiten:
40 Jahre Sozialhilfe in Deutschland „Sozialhilfequote mehr als verdreifacht. Die Zahl der Sozialhilfeempfänger in Deutschland ist seit In-Kraft-Treten des Bundessozialhilfegesetzes von 0,58 Mill. (im früheren Bundesgebiet) am Jahresende 1963 auf 2,76 Mill. Personen Ende 2002 gestiegen.“

So sieht also das "Ende des Sozialstaates" aus und Herr Butterwegge wird wohl mit seinem Strohhalm jämmerlich ersaufen.

Weiter Butterwegge: Wenn man auf eine Betriebsversammlung bei Opel oder bei BMW gehen würde, ich kann mir nun wirklich nicht vorstellen, daß die dort hart Arbeitenden ein bedingungsloses Grundeinkommen für ihre Perspektive ansehen würden, und ich bin der Auffassung, daß vor allem die Unternehmer profitieren würden.
Die durch Kurzarbeit und Auto-"Zwangskonsum" (Abwrackprämien) subventionierten Opelarbeiter sind bestimmt maßgeblich!
Immerhin wird hier aber klammheimlich zugegeben, daß durchaus "alle" von einem BGE "profitieren". Das (psychologische) Problem für Professor Butterwegge ist nur, daß vor allem die "Unternehmer" profitieren. Das nervt ihn.
Im Übrigen dürfte sich allmählich herumgesprochen haben, daß viele Steuern (und andere Abgaben), mit denen "Unternehmer" ordentlich gequält werden (sollen), nicht ihren Taschen entnommen werden, sondern den Taschen der Endverbraucher. Aus der Sicht des Unternehmers sind seine "eigenen" Arbeitgeberanteile, sowie Löhne, Gehälter, Lohn- und Kirchensteuern des Arbeitnehmers gesamte Personalkosten, ähnlich wie Kosten für Material und Verpackung. Alle Kosten zusammen bestimmen den Preis zu dem die Ware oder Dienstleistung angeboten werden kann. Wird irgend etwas billiger oder fällt gar weg, bedeutet das nicht zwangsläufig, daß die "Unternehmertaschen" praller werden. Eventuell sinkt ja der Preis? Wenn man den "Unternehmer" unbedingt quälen will, was nicht jedermanns Hauptanliegen sein muß, dann wird man sich an seinem Gewinn (auch hier ist zu beachten, daß ein Teil davon u.a. zur "Reproduktion" des Unternehmens verwendet wird) vergreifen, d.h. das Einkommen entsprechend besteuern. Dabei ist auch wieder zu beachten, daß so ein "Unternehmer", z. B. aus dem "Mittelstand", sein Einkommen mit dem Durchschnittseinkommen vergleicht. Wenn sein Einkommen wesentlich niedriger ist als bei einem Grundschullehrer, überlegt so jemand sich vielleicht, ob er nicht besser Grundschullehrer werden will. Übersteigt sein Einkommen dagegen wesentlich das Einkommen eines Politprofessors, kommen eventuell einige Grundschullehrer auf eine "gute Idee": Ausgestattet mit einem BGE gründen sie eine Genossenschaft und unterbieten diesen Unternehmer*3). Also wo Problem?

Weiter Butterwegge: Ich teile allerdings Herrn Schneiders Einschätzung, daß vielleicht sogar mehr gearbeitet würde, aber das würde damit zusammenhängen, daß es so eine art Kombilohn für alle wäre, denn mit 800.- Euro oder mit 1000.- Euro kann man, wenn die Mehrwertsteuer entsprechend erhöht würde, beispielsweise kaum überleben und man wäre gezwungen auch Arbeit anzunehmen die schlecht entlohnt ist und vielleicht sogar schlechter entlohnt ist, als das jetzt der Fall ist.
Aus den Worten "Zwang" und "Müssen" schlüpfen uns nun angekettete wohlmöglich "erniedrigte" Menschen entgegen. Mit einem geringen (800 oder 1000 Euro Anfangs-) bge, "muß" man sich etwas dazuverdienen. Daraus schlußfolgert Herr Butterwegge, daß die Menschen viel mehr schuften müssen, als heute ohne irgendwelche Mittel. Wie er und andere darauf kommen weiß man nicht.
Butterwegge hat hier wieder nur die Unternehmertaschen im Auge, aus denen fließen wohlmöglich weniger Gelder für "Löhne". Gewöhnliche Menschen orientieren sich jedoch an ihren Gesamteinnahmen. Und das bge läßt sich so realisieren daß gilt:
Eneu = (Ealt - bge) + bge
Also auch nur dümmliche Panikmache. Der heutige Kombilohn ist fragwürdig, weil er nur dort gezahlt wird, wo er beantragt und bewilligt wird. Er verzerrt den Wettbewerb. Heute können sich einige, die den Dreh raushaben ihre Taschen füllen. Ein BGE würde jedoch alle "Arbeitgeber"*4) gleichmäßig betreffen (weshalb Personalkostenverringerung zu geringeren Preisen führt). Nichtsdestotrotz bleibt auch hier der "Sozialstaat" erhalten: trotz BGE ist es möglich, daß z.B. Mittel für die Einrichtung von Arbeitsplätzen für Behinderte fließen.

Moderator: Aber geht Grundeinkommen nicht auch ohne diese radikale Steuerreform, rein als Ersatz für den bisherigen Sozialstaat mit seiner ganzen Umverteilungs- und Kontrollbürokratie, also Hartz IV ***

Butterwegge: JA DAS IST AUCH SO EINE ILLUSION, die die Befürworter dieses bedingungslosen Grundeinkommens haben. . .
und das was Herr Schneider auch sagte „weniger Bürokratie“, natürlich bleibt die Kontrollbürokratie erhalten, nur daß sie auf die Finanzämter übergeht, denn natürlich würden die sehr sehr viel stärker als bisher gucken müssen, sind andere Einkommensquellen da, denn es gibt zwei Alternativen beim Grundeinkommen.
Sinnfreies Panikgeschrei, da die Finanzämter auch heute existieren. Eigentlich geht es um Schwarz- und Schattenwirtschaft, die auch nicht erst mit dem BGE auftritt. Kein Mensch behauptet, daß mit einem BGE sämtliche staatlichen Organe, etwa auch Polizei, verschwinden.

"Alternative" Nr. 1:
Weiter Butterwegge: Entweder es ist wirklich bedingungslos, dann muß Götz Werner es genauso wie Christoph Butterwegge genauso wie die jetzigen Hartz IV Bezieher bekommen. Und zwar in gleicher Höhe.
Vermutlich glaubt Butterwegge durch lärmendes breittreten, was das BGE "wirklich" bedeutet, nämlich: REICHE KRIEGEN ES AUCH!!! würden einige Hörer nun doch entsetzt aufgeschreckt. Die "jetzigen Hartz IV Bezieher" sind auch keine besondere Tierrasse, die es später in der bge-Gesellschaft, etwa als "Vergleichsmaßstab" auch noch gibt. (Bürger, die überhaupt keine Mittel erhalten und sogar ohne Obdach sind, hat der Armutsfachmann anscheinend völlig vergessen). Die "Gleichmacherei" besteht ja gerade darin, daß ausnahmslos jeder Bürger zum "Aufstocker" wird. Herr Ackermann, genauso die berüchtigte Lidleverkäuferin, ja selbst kleine Kinder: wenn die Oma was verschenkt, wird es nicht wie heute bei Hass4-Kindern, wieder abgezogen.

Und die "Alternative" Nr. 2
Weiter Butterwegge: Oder aber man zieht es den Wohlhabenden und Reichen am Ende bei der Steuer wieder ab. So, und wenn man das tut, dann bedeutet das, daß das Finanzamt wieder gucken muß, wo sind Einkommensquellen neben diesem Grundeinkommen und ich bin fest davon überzeugt, daß die Finanzämter auch nicht viel freundlicher als die ARGEn zu denjenigen sind, denen sie möglicherweise unterstellen, nebenher, schwarz oder wie auch immer zu arbeiten und andere Einkommensquellen zu haben.
Ebenfalls dummes Zeug! In seiner Not sorgt Butterwegge jetzt sogar noch unter Gutverdienern für Panik: die Finanzbeamten werden unfreundlich! Ah Gottchen!
Wie auch heute schon können in einer bge-Gesellschaft die Gesamteinnahmen eines Bürgers nach einer profanen Steuertabelle berechnet werden. Was soll also das Geschwätz mit dem Wiederabziehen? Auch heute wird Wohlhabenden, Gutverdienern und Reichen via Steuern das Kindergeld wieder abgezogen, ja sie zahlen mit "ihren" Steuern auch noch das Gehalt für Politprofessoren und dürfen sich ihr Geschwätz im Radio anhören! Das Wesen der Sache hat Herr Butterwegge jedenfalls nicht verstanden: Gutverdiener haben vielleicht keine finanziellen Vorteile (am Anfang des Interviews aber sie "vor allem"). Für sie besteht der Vorteil in zwei Einnahmequellen. Wenn sie plötzlich mal keinen Bock mehr auf ihre Erwerbsarbeit haben, so haben sie immer noch das BGE. Das läuft immer und wird z.B. dann auch nicht mit angespartem Vermögen verrechnet, wie heute, wenn so jemand erwerbslos wird, darf er erstmal sein Häuschen verfrühstücken, ehe er sich bei der Arge zum Einsatz für einen duselligen 1Euro-Job melden kann.

Butterwegges allerletzte Hoffnung, von der er ganz fest überzeugt ist (wir sehen buchstäblich seine Hand den Strohhalm umklammern), daß die Finanzämter tierisch unfreundlich werden, zeigt, daß er offenkundig die reale Welt noch nicht richtig erfaßt hat. An den Argen und vielen anderen Ämtern stört nicht die "Unfreundlichkeit", sondern, daß man als mittelloser Antragsteller eventuell leer ausgeht und dann seine Nahrungsmittel in Mülltonnen suchen darf. Wir brauchen also jetzt kein Gesetz, wonach Bürokraten uns Bürger freundlich umarmen und Küsschen geben!

Moderator: Und wenn man das, wie es auch schon mal vorgeschlagen worden ist, es einfach als negative Einkommenssteuer macht ?
PS: Der Moderator hat sich bemerkenswerter Weise vorher schlau gemacht. Gegen unseren Professor kann er aber kaum anstinken:

Butterwegge: Ja, das hat die CDU Kommission bei Dieter Althaus auch vorgeschlagen. Man hat dann sofort das Problem, daß die Einkommenststeuer nicht mehr progressiv ist, sondern daß alle den gleichen Satz zahlen. Bei der CDU sind das 40% und der Arme zahlt genauso 40% wie der Reiche.
Natürlich nicht so ganz richtig, da die "Armen" erst ab einem bestimmten Einkommen (Einkommens)steuern zahlen sollen. Und schließlich kann man auch, wenn es denn sein müßte, einfach eine "progressive" Steuer vorschlagen und muß nicht das BGE ablehnen. Die Art der Steuern, hat mit dem BGE eigentlich überhaupt nichts zu tun.

Nun endlich die Visionen des Politprofessors. Nicht mehr "Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen"*5) ist das (linke) Ziel sondern:

Weiter Butterwegge: Ich wäre dafür, eine solidarische Bürgerversicherung einzuführen, in die alle einzahlen, auch die großen Vermögen, daß Kapitaleinkünfte verbeitragt werden müssen, und daß eben auf dieser Basis, was den Sozialstaat natürlich sofort auf ein ganz anderes finanzielles Fundament setzen soll, daß auf dieser Basis dann eine soziale Grundsicherung, bedarfsorientiert, armutsfest und insofern dann auch repressionsfrei eingeführt würde, daß eben diese Kontrollen wie sie in der tat bei Hartz IV sind, die kritisiert Götz Werner auch völlig zu Recht indem er sagt, das sei „offener Strafvollzug“ , das teile ich, diese Kritik an Hartz IV, also Hartz IV ist in der Tat ein ganz falscher Ansatz.
Also alte Latschen für eingeschlafene Füße und ein Glas kaltes Wasser dazu. Alles wird wie es bleibt: Die "Armen" dürfen weiterhin ihre Bedürftigkeit nachweisen und erhalten vielleicht Begrüßungsküsschen. Davon, daß die grundgesetzwidrigen Sanktionen als erstes wegfallen (ein Schritt zum BGE) keine Spur. Erst einmal große Vermögen und Kapitaleinkünfte "verbeitragen", was immer das bedeuten möge. Und Kritik an der Gesellschaft ist natürlich erlaubt, denn sonst könnte Butterwegge seine Armutsschwarten nicht verhökern.

Weiter Butterwegge: aber zu glauben, aufgrund dieses Flickwerks der Reformen der letzten Jahre müsse man sich nun des Sozialstaates ganz entledigen und an dessen Stelle den Stein der Weisen setzen, nämlich ein bedingungsloses Grundeinkommen, das halte ich für einen falschen Weg, das ist eine Illusion und das würde wahrscheinlich bei den meisten auch hinterher zu einem sehr bösen Erwachen führen.
Wie oben skizziert, steht es jedem frei ein BGE mit Sozialstaat zu entwickeln. Ansich wollen bge-Fans sich keines Sozialstaates ganz entledigen, daher kann man zumindest sie nicht mit einem "sehr bösen Erwachen" schrecken.

Moderator: Also, Sie sprechen für die solidarische Bürgerversicherung, aber dann bleibt die ganze Verwaltung (in Anführungsstrichen), die Sozialstaatsverwaltung, die Bürokratie erhalten ***

Butterwegge: JA, DIE BRAUCHT MAN, weil natürlich kann man, also wenn ich zum Beispiel einführe daß alle Bürger 1000.- Euro Steuern zahlen, dann habe ich keine Verwaltung mehr, oder fast keine. Aber dann habe ich eben noch sehr [1] sehr [2] viel größere Ungerechtigkeiten noch als gegenwärtig.
Ich bin nicht der Meinung, daß dieser Sozialstaat ein Idealstaat ist, aber ich bin der Meinung der muß verbessert, der muß ausgebaut werden, in Richtung einer solidarischen Bürgerversicherung, eben auch Freiberufler, Selbstständige, Beamte, einbeziehen, also alle die Einkommen haben und die vor allem große Einkommen haben, die müssten natürlich mitfinanzieren den Sozialstaat, aber eine gewisse Sozialbürokratie brauchen man,
Wieso eine bge-Gesellschaft ohne Kindergeldkassen, Bafög- oder Wohngeldämter und vor allem ohne Arbeitsagenturen noch sehr sehr viel ungerechter wäre als heute, kann uns Butterwegge nur mit sehr sehr vielen "sehr"s vermitteln. Auf Diskussionen über "Gerechtigkeit" muß man sich nicht lange einlassen. Mit seiner "Bedarfsgerechtigkeit" hat Butterwegge sich selbst an absurdum geführt.

und noch ein "Schein"-Gegenargument. . .

Weiter Butterwegge: und im Übrigen ist die Bürokratie mal eingeführt worden, weil sie eben anonym und auch gerecht das Geld, was die Einen zahlen, verteilen soll. Wenn man es den recihen selber überließe, zum Beispiel durch Almosen, durch Spenden, durch Stiftungen dafür zu sorgen, daß Not und Elend beseitigt würden, würde es wahrscheinlich nie passieren. Insofern braucht man eine Sozialbürokratie, die allerdings, natürlich auch immer mit sich bringt, daß es negative Erscheinungen gibt, daß er Kritk an ihr gibt, die berechtigt ist, und trotzdem glaube ich, wir brauchen den Sozialstaat.
Kein bge-Fan hat jemals behauptet, daß die Bürokratie vollständig beseitig und daß "Arme" (die es in einer bge-Gesellschaft so gar nicht mehr gibt) künftig bei Millionären betteln gehen sollen, daher erübrigt sich hier ein weiterer Kommentar.

Insgesamt macht Herr Butterwegge einen äußerst konservativen Eindruck. Gegen ihn sind manche CDU-Genossen wahrliche Revolutionäre! Wir empfehlen ihm ein warmes Plätzchen in der Grundwerte-Kommission der SPD. Dort sammelt man alles, was gegen das Grundeinkommen sprechen könnte, auch wenn es noch so dümmlich ist, wie z.B. "Arme können mit Geld nicht umgehen". Über die Butterweggesche Bedarfsgerechtigkeit wird man sich gewiss freuen.
Ansonsten Genossen, wenn das bismarcksche Sozialsystem so geil ist, laßt doch ein paar große Bismarckbüsten aus solider Bronze anfertigen!

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*1) Karl Marx, 1858/1859, MEW Bd 13 ➞ Zur Kritik der Politischen Ökonomie; Vorwort. Im Abschnitt auf Seite 8/9 beschreibt Marx allgemein (d.h. vom Gesellschaftssystem unabhängig) den Zusammenhang zwischen "ökonomischer" Grundlage und "ideologischem" Überbau. Sehr lesenswert! Dort ist u. a. zu finden: „Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt.“ Man findet auch den Gedanken wieder, den Sascha Liebermann von "Freiheit statt Vollbeschäftigung" öfter äußert, nämlich dem Sinne nach, daß das BGE eine "Befreiung der Produktivkräfte von Produktionsfesseln" darstellt ➞ energie-der-sterne.de (Das Grundeinkommen)

*2) Karl Marx, 1843/1844, MEW Bd 1 ➞ Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, Seite 385. Es ist bemerkenswert, wo und wer alles diesen Satz von Karl Marx verwendet (google: den Satz oder Teile davon eingeben).

*3) Wir bringen "Genossenschaften" oder allgemein "alternative" Arbeits- und Lebensformen ins Spiel. Man idealisiert immer die Verhältnisse in denen man lebt, so kommt es daß faktisch nur der "Single"-Bürger im Blickpunkt auch vieler bge-Fans steht. Ein Grundeinkommen wirkt aber "gruppenbildend", es gibt nämlich keine "Bedarfsgemeinschaft"-Regelung. Bei einem BGE von 800 Euro würden 10 Leute über 8.000 Euro verfügen. Auch heute gibt es neben dem klassischen Unternehmer Genossenschaften.

*4) Allgemein steht das Wort "Arbeitgeber" u. a. auch für Kommunen, Länder, Bund, Gewerkschaften, Genossenschaften, Kollektive, Kolchosen, Kirchen, Parteien, Vereine und sonstige Organisationen. Es ist klar, daß diese "Arbeitgeber" von Gehalts- und Lohnsenkungen, verursucht durch ein BGE, "profitieren".

*5) Karl Marx, 1875, MEW Bd 19 ➞ Kritik des Gothaer Programms Seite 21. Heutige "Marxisten" und "Kommunisten" verstehen den Abschnitt: “In einer höheren Phase der kommunistischen Gesellschaft. . -" immer so, daß "man" erst einen dubiosen "Kommunismus" schaffen muß, ehe gilt "Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!" Daher können sie mit dem BGE nichts anfangen. Man kann es aber auch umgekehrt sehen: Wenn in der (Welt-)Gesellschaft, "Jeder nach seinen Fähigkeiten..." lebt, ist sie eben "kommunistisch".

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Vielen Dank für die Mühe, den geistigen Dünnschiß von Herrn Butterwegge so gut zu kommentieren.
Schade nur, daß er es vermutlich nicht lesen wird.

Übrigends, der Rest des oben angegebenen Podcast ist hochinteressant. Butterwegge war also der Einzige, der mit dem bGe das Ende der Welt befürchtet.
Aber das hatten wir doch auch schon vor 200 Jahren, als die Sklaverei abgeschaft werden sollte. Oder vor 100 Jahren, als das Wahlrecht auf alle ausgeweitet werden sollte.
Heute ist das bGe an der Reihe und später wird niemand verstehen, warum die Lösung unserer sozialen Probleme nicht bereits früher eingeführt wurde.

Klaus Binder hat gesagt…

Nabend Anonymus,

> Butterwegge war also der Einzige, der mit dem bGe
> das Ende der Welt befürchtet.

Ein wichtiger Hinweis! Ich schreib ja von mehreren bge-Gegnern. Aber nur Butterwegge kommt in der Sendung zu Worte. Ich werds noch korrigieren.
Mein Eindruck ist, daß es zwar noch "renommierte" bge-Kritiker gibt (im linken Lager), daß die sich aber nicht mehr so gerne öffentlich äußern. Einfach zu peinlich.

viele Grüße
Klaus Binder

Klaus Binder hat gesagt…

Gerade gefunden, die "Quelle" des Butterweggeschen Gesabbers:

Arbeit und Soziales
Vortrag zum Treffen der ver.di-Linken NRW in Düsseldorf - Teil 1
„Bedingungsloses Grundeinkommen“?
Von Daniel Kreutz
(Online-Flyer Nr. 237 vom 17.02.2010)
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=14802



Arbeit und Soziales
Vortrag zum Treffen der ver.di-Linken NRW in Düsseldorf - Teil 2
„Bedingungsloses Grundeinkommen“?
Von Daniel Kreutz
(Online-Flyer Nr. 238 vom 24.02.2010)
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=14825



(Darin findet man z. B. den Scherz, daß Finanzbeamten sehr sehr viel unfreundlicher sind als Fallmanager.)

Der zentrale Punkt dürfte sein, daß diese Art von "linken" in nahezu religiöser Weise an einem "abstrakten" Arbeitgeber festhalten, der in einem "kapitalistischen" System die Menschen so entlohnen muß, daß diese leben können. Die konkreten Arbeitgeber werden gar nicht näher untersucht. Arbeitgeber als religiös-philosophische Figur, wie Engel oder Teufel. Wie schön öfter erwähnt, handelt es sich bei Arbeitgebern im realen Leben um eine Vielzahl von Personen und Organisationen, welche eben Menschen für Geld beschäftigten: von kleinen Selbständigen, die ab und zu einen Kumpel "beschäftigen", über Handwerksbetriebe, "Unternehmen", dann eben auch Bund, Länder, Kommunen, Parteien, Gewerkschaften, Vereine, Genossenschaften usw.

Das Bild des "Arbeitgebers" entspricht dem Fabrikbesitzer von 1848, der Menschen beschäftigte die nichts anderes besaßen als ihre Arbeitskraft und die daher a) für den Fabrikbesitzer arbeiten mußten und b) einen Lohn benötigten, der mindestens zu ihrer und zur Reproduktion der ganzen "Arbeiterklasse" reichte. Dieses kapitalistische System konnte nur "richtig" funktionieren, wenn die "Proletarier" nicht noch nebenbei z.B. Land besaßen.

Auch schon ohne BGE kann man kaum behaupten, daß wir heute in so einer Gesellschaft leben. Das BGE macht allerdings anscheinend schmerzhaft deutlich, daß es mit diesem "Kapitalismus", der in vielen "linken" Köpfen spukt, ziemlich restlos vorbei ist. Umso absurder die Reaktion gegen das BGE. Kreutz, Butterwegge, Roth & co wollen den alten Zustand bewahren oder gar wiederherstellen. Man glaubt es nicht, aber wir haben es mit Reaktionären erster Klasse zu tun. Die Menschen dürfen neben Lohn und Gehalt auf keinen Fall weitere Existenzmittel haben, denn dann wird den "Arbeitgebern" die Pflicht zur Existenzsicherung "ihrer" Beschäftigten genommen, so die religiöse Wahnvorstellung.

Anonym hat gesagt…

Danke sehr an den Autor.

Gruss Nelly