Montag, 10. März 2014

Zwischenmeinung zur Ukrainekrise


Antwort eines pro-EU Kremeltrolls*) auf eine Zuschrift...

Lieber M,
zur Ukraine schreibst du und auch viele andere schreiben ähnliches:

"Tatsache ist, dass sie seit Jahren mussten, dass Janukowitsch und seine Clique den Staatshaushalt ausgeplündert, die Gewaltenteilung ausgehöhlt und elementare Menschenrechte unterdrückt haben, während sie selbst für sich und ihre Kinder nicht genug zum Leben hatten/haben." 


Es geht offenbar darum einzusehen, dass es richtig ist, Herrn Janukowitsch und seine Clique zu verjagen und dass die Mithilfe an dieser Verjagung durch Unionsbürger, Privatleute, Volksvertreter, Medien- und Kulturfritzen, das Gebot der Stunde ist und dass diese Art, sich an der Demontage eines Staates zu beteiligen, ein elementares Menschenrecht für Unions- und US-Bürger ist.

Damit hätte ich wohl kein Problem, wenn ich 20 Jahre alt wäre. Nun bin ich bald 60 und kenne diese Art der "Mithilfe" und die Sorge um "arme" Menschen, die befreit werden müssen, schon von 1970 an: Vietnamkrieg, mehrere Millionen Tote mit Schäden an Gesellschaft und Umwelt, die bis heute unüberschaubare Spuren hinterlassen haben.

Afghanistan Nr.1, wo man in den 70er Jahren nicht zurechnungsfähige junge Männer ideologisch und waffentechnisch ausrüstete, die anfangs gegen afghanische Sozialisten wendeten, welche sich erdreistet hatten u.a. die Gleichberechtigung von Frauen (bis hin zum Militär) zu etablieren, Universitäten und flächendeckend Schulen und ähnliche schädliche Dinge mehr zu bauen. Die armen Menschen sollten also befreit werden! Erst recht als dann die Rote Armee der Sowjetunion in die Kämpfe eintrat.

Das Ergebnis ist bekannt: ein von Sowjets befreiter Talibanstaat + 1000e sogenannte Terroristen überall auf der Welt, die u.a. in Afghanistan ihren Stützpunkt hatten, physisch und ideologisch. (Anschläge gab es schon lange, lange vor 2001).

Und mir sind die Vorgänge um Jugoslawien noch in Erinnerung: Da ging es darum einen Herrn Milosowitch und seine Clique im Namen der Freiheit und zum Wohle der "Armen" zu verjagen. 25 Jahre später? Die Frage stelle ich immer wieder: Warum haben die superschlauen Unionsbürger der jugoslawischen Bevölkerung nicht ganz offiziell ein realistisches Angebot zur EU-Mitgliedschaft ihres Landes gemacht? Wie heute in der Ukraine waren auch damals Privatpersonen unterwegs, die ohne Mandat mit genau dieser Idee die Abtrennungskräfte und den Bürgerkrieg schürten! Natürlich tat das niemand aus Bosheit, warum soll man mit den Leuten über solche Sachen nicht sprechen? Nun, wie auch immer, die Devise war wohl: Wenn man sich von dem bösen serbischen sozialistischen Hauptstaat abspaltet, hat man gute Chancen als kleiner Staat den Anschluss an die EU zu finden.

Und Heute? Die Verbrecher sind weg. Dafür scheint aus Sicht der aufopferungsvollen EU-Bevölkerung Jugoslawien nur noch zu bestehen aus (selbsterzeugten) Kriegsverbrechern, Maffiaklans, Wirtschaftsasylanten, Autoschiebern und Sozialschmarotzern, Untermenschen also, vor denen man sich am Besten schützt indem man EU-Türen so lange möglich fest verrammelt.
Gerade Jugoslawien! Ein Land, das quasi mitten in der EU drin liegt, wo es viele Jahrzehnte keine mir erinnerlichen Probleme gab, weder innen, noch nach aussen. Ein Land, das viele Europäer gerne als Touristen besuchten und aus dem viele Menschen nach Europa zur Arbeit gingen oder sich mit Pommesbuden oder Restaurants eine kleine Existenz aufbauten!

Dann haben wir Afghanistan Nr.2. Ein ähnlicher Versuch wie ihn vorher die Sowjetunion verbotenerweise (man denke an den Olympia-Boycott) unternahm. Die Talibanmilizen, die sich im sowjetfreien Afghanistan mit Armeen und Kämpfern aller Art zur Staatsmacht entwickelt hatten, mußten spätestens ab dem 11.9-Attentat "entwaffnet" werden. Ein Programm das nun die hochwohlgeborenen Unionsbürger und die freiheitsliebenden US-Bürger in Angriff nahmen. Über zehn Jahre experimentiert man dort herum. Menschenexperimente: Moderne Waffentechnik wird entwickelt und anscheinend getestet mit echten Menschen!

Das Ergebnis sieht schaurig aus. Ja und was das liebe Geld betrifft: Der größte Teil (wieviel weiss ich nicht) ging in das allgemeine Konjunkturprogramm für halbstaatliche Rüstungsindustrien (in der Regel USA), um Arbeitsplätze zu schaffen und zu sichern und die Wirtschaft anzukurbeln.

Es ist nicht mal gelungen in einem Jahrzehnt die Taliban zu entwaffnen, geschweige denn der Bevölkerung lesen und schreiben beizubringen und ihr einen Ersatz für den traditionellen Opiumanbau zu verschaffen. Solche profanen Sachen haben die Kemalisten in der Türkei, die Bolschewisten in Russland, und ähnliche Bewegungen, über die der allwissende Europäer verächtlich die Nase rümpft, in wenigen Jahren hinbekommen!

Gleichzeitig beseitigte "man" die irakischen Regierungsverbrecher, auch wieder im Namen von Freiheit und Menschenrechten. Ein komplett sinnloser Krieg ohne irgendwelche Ergebnisse, die man stolz vorweisen könnte.

Das Ergebnis: Mehrere 100.000 Tote und eine Grossanarchie, in der sich die Bevölkerung emsig damit beschäftigt sich gegenseitig umzubringen.

Sinnlos? Der Irakkrieg soll zwischen 1.5 Billionen und 3 Billionen Dollar gekostet haben.
ag-friedensforschung.de

Ein gigantisches Konjunkturprogramm also? Ein Programm für die halbstaatliche US-Rüstungsindustrie zur Rettung der US-Wirtschaft. Sonst nichts? Während viele Leute dahinter ein paar Allmächtige stecken sehen, geht es wohl schon um viele Millionen US-Bürger, welche sich tagsüber mit der Waffe voreinander schützen, wenn sie nicht gerade welche bauen und abends in der Glotze sehen, dass man allgemein den "armen" Menschen auch militärisch helfen kann, Millionen Bürger, die ohne zu murren dafür auch Steuern zahlen, dagegen bei allem "nützlichen" (Bau von Schulen, Krankenhäusern, Universitäten, Opern und weiteres im eigenen Land, ganz zu schweigen in fremden Ländern) meinen: das ist Luxus, das braucht man nicht:
fbcdn-sphotos-e-a.akamaihd.net


Und Libyen? Ägypten?

Syrien: Ich hab immer noch im Ohr, dass um 2008 die türkische Regierung sich darum bemühte, vorhandene Konflikte im Umkreis der türkischen Republik durch Gespräche und Verhandlungen zu lösen. Unter anderem hat sie sich offenbar erdreistet auch beim Nahostproblem mit anzupacken. 'Diese dummen Türken', so wohl im Neuronen- und Synapsensystems eines hochwohlgeborenen EU-Politikers, 'diese dummen Türken bilden sich ein, ein Problem zu lösen, an dem wir schon über 50 Jahre sitzen.'
Nebenbei bemerkt ist dieses Nahostproblem quasi das erste "Projekt" der hier beschrieben Art, das unsre schlauen Europäer und ihre Freunde aus den USA, noch während die Kriegstrümmer vom Himmel regneten, massenhaft Wunden bluteten und man knietief in Schutt und Asche watete, produziert haben.

Nun, anscheinend hat man also die Türkei alleine wurschteln lassen. Erfolgreiche Verträge z.B. zwischen Syrien und Israel (und zwischen Syrien und der Türkei) wurden wohl nicht beachtet oder gar aufgegriffen um den Prozess zum Erfolg zu führen.

Syrien ist ein Beispiel dafür, wie man auch aus gezielter "Nichteinmischung" Chaos und Anarchie anrichten kann.
Klar, ein Aufgreifen und Unterstützen der türkischen Intiativen schafft und sichert keine Arbeitsplätze, zumindest nicht da wo sie gebraucht werden!
Dafür aber Bestrafungsaktionen gegen "Assad und seine Clique, die den Staatshaushalt ausgeplündert, die Gewaltenteilung ausgehöhlt und elementare Menschenrechte unterdrückt haben". Natürlich werden sie nicht persönlich bestraft, indem man sie übers Knie legt, ordentlich vermöbelt und gut ist, nein, ein militärischer Vergeltungsschlag muss her! Nach neuesten zivilisatorisch-humanistischen Erkenntnissen bestraft man genau so Menschen! Und so ganz nebenbei können dann die neuesten Waffen wunderbar am lebenden Objekt getestet werden. Das ist notwendig, denn nun ist auch China bereits auf dem Waffenmarkt tätig:
welt.de/wirtschaft

Das sind also ein paar Fälle wo die unsrigen mal ein bißchen Helfen gegangen sind. Und das soll man jetzt alles mal beiseite lassen bei "Betrachtung" (was anderes tue ich nicht) der Ukraine? Ja ich weiss, was du jetzt sagst, all das "rechtfertigt" nicht die Kapitalverbrechen von  Janukowitsch. Egal, wie es später einmal aussieht, der musste weg!
Doch es zeichnet sich jetzt schon ab, das aus dem Hauptanliegen eines grossen Teils der ukrainischen Bevölkerung, eine EU-Mitgliedschaft, leider doch nichts wird. Davon war "offiziell" sowieso nie die Rede. Man demontiert also einen kompletten Staat, ohne einen blassen Schimmer zu haben, wie es dann weiter geht. Und offenbar geht es auch hier wieder -so nebenbei- um die US-Rüstungsindustrie, denn aus vorgespielter Panik vor den böse (gemachten) Russen, rüsten wohl Schweden, Baltische Staaten, Polen und Ungarn erst mal auf. Vermutlich mit bester US-Technologie.

Das 21. Jahrhundert wird wohl die Epoche der Demontage von Staaten mit relativ leicht behebbaren Problemen werden, Demontage zur Sicherung von Millionen Arbeitsplätze in der halbstaatlichen (spätsozialistischen) Rüstungsindustrie, welche anscheindend die ganze Weltwirtschaft "stützt". Passend zu den ganz früher (siehe unten bei Geld) erwähnten schwarzen Löchern neben den Geldblasen, den grossen Konten, die niemandem gehören, auf die aber immer mehr Menschen via Einzugsermächtigung Kohle überweisen.

Nun, mir ist bewußt, das mit nur einem Bruchteil der "Demontage"-Kosten, sich die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Menschen in jedem beliebigen Staat menschenwürdig entwickelt lassen. Geld spielt dabei keine Rolle! Braucht man ja nur nachrechnen, was die Demontage kostet im Vergleich zu Krankenhaus, Schule oder Kinderdorf. Frieden ist billiger als Krieg!

Geld spielt eine bedeutende Rolle, wenn es darum geht, Bombenbau und Raketendesign zu (s)einer "Ernährungs"-Grundlage zu machen. Krieg und Bürgerkrieg (bei anderen) sichert Arbeitsplätze!

_____

*) Derzeit wirke ich bei ZEIT-online als einer der vielen dort aktiven Leserkommentatoren, unter dem Nick Internetspaziergaenger
Dort schreiben viele Leute recht unterschiedliche Artikel zur Ukraine Krise. 
Das (kleine) Lager der Hardliner, die offenbar am liebsten mit der NATO nach Stalingrad losmarschieren wollen, nennen diejenigen, die von einem Erzfeind Russland noch nichts mitbekommen haben, "Kremeltrolle". Sie treten dabei als Verfechter der EU (und der USA) auf. 
Bei den "Kremeltrollen" kann man mindestens drei Richtungen finden: Rechte (AfD'ler), die gegen die EU (und USA) sind und die Ukraine vor der EU beschützen wollen, ferner Linke, die gegen die EU sind, und die Ukrainer z.B. vor einem Bankenrettungs-Programm schützen wollen und dann eher Linksliberale, die sowohl EU Freunde als auch Russlandfreunde sind und die in den 80er Jahren begonnene "Friedliche Koexistenz" gerne fortgesetzt wünschen.
.