Samstag, 4. Dezember 2010

Wie Jusos das BGE bekämpfen

Auf einem Jusoblog wird am 2.Dezember 2010 ebenfalls*1) der alte Kapitalismus zum letzten Ideal, zur "Zukunftsperspektive", der Menschheit erhoben:

blog.jusos.de/2010/12/das-grundeinkommen-kritisieren

Komplettes Zitat mit in "[", "]" gesetzten Fragen, fett auch von mir:
„Die Diskussion über ein bedingungsloses Grundeinkommen wurde hier ja schon intensiv geführt. Hier nun einige weitere Überlegungen zu der Debatte aus einer theoretischen Sicht und geht der Frage nach, inwieweit das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens linken Zukunftsperspektiven entspricht.

Der Arbeitstag [wessen Arbeitstag?] besteht aus zwei Teilen: der notwendigen Arbeitszeit einerseits und der Mehrarbeitszeit andererseits. Die notwendige Arbeitszeit ist der Teil des Arbeitstages, in dem so viel Wert [was ist "Wert"?]*2)hergestellt wird, wie nötig ist, damit die Arbeitskraft wiederhergestellt werden kann. Die Mindestdauer des Arbeitstages ist diese notwendige Arbeitszeit. Der zweite Teil des Arbeitstages ist der Mehrwert bildende Teil des Arbeitstages. Wenn dieser Mehrwert auf dem Markt realisiert werden kann, dann bildet er Profit [übrigens falsch, der Mehrwert verteilte sich auf viele u.a. an der Verteilung der "Produkte" beteiligte und später als Steuer auf den Staat! Der "Profit" ist im gesamten Mehrwert heute nur ein Bruchteil.] für das Unternehmen. Es ist die logische und notwendige Aufgabe eines Unternehmens, die notwendige Arbeitszeit so gering wie möglich und den Mehrwert so hoch wie möglich zu gestalten.

Das Grundeinkommen ersetzt nun die notwendige Arbeitszeit, weil es so hoch sein soll, dass die Arbeitskraft ohne Lohnarbeit reproduziert werden kann. Für den Arbeitslohn hat das eine drastische Konsequenz. Der Wert der Arbeitskraft bemisst sich – wie oben dargestellt – danach, wie viel Wert produziert werden muss, um die Arbeitskraft zu reproduzieren.*3) Ist die Reproduktion der Arbeitskraft gesichert, ohne zu arbeiten, dann ist der Wert der Arbeitskraft, der durch Lohn befriedigt werden muss, gleich Null. Darum wird der Lohn für all diejenigen, die arbeiten, sinken [auch Null, gell?]. Gesamtgesellschaftlich gesehen muss der Wert der Arbeitskraft zwar noch produziert werden, das Unternehmen muss diesen Teil aber nicht mehr bezahlen [es wird fetter und fetter bis es platzt].
Bisher wurde die Reproduktion der Arbeitskraft von den Unternehmen bezahlt, die die Arbeitskraft auch konsumiert haben. Diese Kosten übernimmt mit dem Grundeinkommen die Gesellschaft [fragt sich, auch heute, woher die Gesellschaft die dazu nötigen Mittel nimmt?]. Der Faktor Arbeit wird nicht nur entlastet, er wird von der Sorge um die Reproduktion der Arbeitskraft befreit [wie grausam!]. An der Reproduktion der von ihm verbrauchten Arbeitszeit ist ein Unternehmen dann nur noch indirekt beteiligt und zwar nur dann, wenn es Steuern zahlt [also doch Sorgen, nur "indirekt"?]. In den Modellen, die sich allein über Konsumsteuern finanzieren und auf die Besteuerung von Investitionen verzichten, wäre der Kostenanteil von Unternehmen an der Reproduktion verschwindend gering.
Die Veränderung zum heutigen Stand ist dann, dass nicht mehr nur die Reproduktion der potenziellen Arbeitskraft der industriellen Reservearmee (bspw. das Heer der Arbeitslosen) vom Steuerzahler [z.B. Lehrer, Beamte, Volksvertreter, Fallmanager, Anne Will, Parteivorsitzende, Soldaten, Polizisten, usw: sie alle finanzieren den Spaß!]*4) finanziert wird, sondern jede Arbeitskraft vom Steuerzahler reproduziert wird.
Der gesellschaftliche Reichtum würde zwar weiterhin in den Unternehmen gesellschaftlich produziert und von den Unternehmern individuell angeeignet, aber die Unternehmen bräuchten sich überhaupt nicht mehr um den Erhalt der Grundlage ihres Reichtums kümmern. Sie könnten den Arbeitslohn nach unten drücken, ohne sich darüber Gedanken machen zu müssen, dass die Arbeitskraft von diesem Lohn erhalten werden muss.
Das Grundeinkommen ist somit ein Freifahrtschein für extrem niedrige Löhne ohne störendes schlechtes Gewissen [tja, darum geht es: damit irgendwelche "Unternehmer" von ihrem schlechten Gewissen, das sie wohl immer haben, auch künftig gestört werden, müssen weiterhin zig Millionen "Arme" auf 100en Ämtern, kontrolliert, schickaniert, kurzum zu "erniedrigten, geknechteten" Wesen gemacht werden. Es lebe die linke Zukunftsperspektive!]. Zumal es die Auseinandersetzungen um den Lebensstandart der ArbeitnehmerInnen von den Unternehmen hin zum Staat verlagert.

Für die Anregung zu diesem Beitrag möchte ich mich herzlich bei Björn beedanken.“

Kurzer Kommentar [auch dort im Jusoblog gepostet]

@Philip Schalk [ein anderer Kommentator]

> Die meisten von uns werden mit Marx’ Thesen
> vertraut sein. Viele von uns sind ganz offen Marxisten.
> Das heißt nicht, dass man in der heutigen Zeit dieselben
> Schlüsse zieht, wie Marx damals, vielmehr geht es
> darum, den Arbeiter zu “befreien”. Ich bin überzeugt,
> heutzutage wäre Marx ein Verfechter des
> Grundeinkommens, weil es genau seinen damaligen
> Motiven entspricht: Den Menschen frei zu machen.

Dem kann man nur zustimmen. Der Bockmist, den hier oberschlaue Jusos bauen, besteht doch darin, daß sie die von Marx in der Zeit um 1848 dargestellten "ökonomischen" Theorien auf heute übertragen. Damals entwickelten sich aus der bäuerlichen Mehrheitsgesellschaft FREIE Proletarier, Menschen, die nichts besaßen, auch kein Land, und nur ihre Arbeitskraft verkaufen konnten. Die Fabrikbesitzer mußten nicht etwas via Gesetz zu einem Mindestlohn gezwungen werden, es war ihr ureigenenes Interesse "ihren" Arbeitern einen Lohn zu zahlen, mit dem diese UND ihre Familien existieren konnten. Damals waren diese Fabrikbesitzer voll verantwortlich für ihre Arbeiter, weil es sonst niemand und nichts anderes gab!

Und dieses Prinzip wollen unsere Oberschüler nun auf die heutige Gesellschaft übertragen. Die Gesellschaft DARF nicht (mehr) die Verantwortung für alle Individuen übernehmen. Kindergeld muß auch weg usw!
Nein, der "Arbeitgeber" muß es tun! Warum? Weil es im "Kapitalismus" so sein muß. Dümmer gehts nimmer!

Und was sind heute "Arbeitgeber"? Etwa Fabrikabesitzer wie 1848? Nein! Neben "Unternehmern": Bund, Länder, Kommunen, diverse gesellschaftliche Organisationen wie Kirchen, Parteien, Gewerkschaften, Vereine, attac, SOS-Kinderdorf; aber auch Fußballvereine usw usf. Dazu noch Selbständige und übrigens Genossenschaften, mit denen diese sonderbaren Schlau"marxisten" nichts zu tun haben wollen.

Und wer ist bei diesen ganzen "Arbeitgebern" beschäftigt? Nur schlappe 34 Mio (von 82 Mio) leben "überwiegend" von Erwerbstätigkeit (stat. Bundesamt, 2006). Mal ganz abgesehen von der Frage, was diese MINDERHEIT so jeden Tag eigentlich treibt, ist die Frage: Wer ist nun für den "Rest" (=MEHRHEIT) der Gesellschaft verantwortlich?

Eins ist sicher: das BGE kommt auch ohne Genehmigung solcher Oberschlauberger!

Bemerkung: Diese von Marx seicht und falsch abgeschriebene "Mehrwerttheorie" mutet heute etwas seltsam an. Warum, so könnte man sich fragen, wird der profane Umstand, daß ein Unternehmer möglichst geringe Löhne zahlt um einen möglichst hohen Gewinn zu erzielen, so umständlich dargestellt. War Marx etwa auch ein Juso?
Marx Leistung bestand u.a. darin, die "neue" noch gar nicht richtig sichtbare Produktionsweise aus der vorherigen abzuleiten. Vorher gab es fast nur Landwirtschaft, der Warenaustausch basierte auf Naturaltausch. Die Bauern, freie wie leibeigene, produzierten keine "Werte" sondern Lebensmittel und schufen ein gewisses Mehrprodukt, d.h. mehr als sie selbst für ihr eigenes Dasein benötigten. Dieses Mehrprodukt eigneten sich u.a. Grundherren, Fürsten und Könige an (finanzierten damit Handwerk, Kultur aber auch Armeen). Auch hier verprassten die "Fürsten" nicht das gesamte Mehrprodukt, sondern sie bestimmten, was damit geschehen sollte (Schloss oder Universität).
Als die neue, die kapitalistische Produktionsweise auftrat, glaubten viele Menschen, damit sei das alte "System" endgültig vorbei. Marx zeigte jedoch, daß die alte Mehrprodukt-Produktion sich in die Mehrwertproduktion weiterentwickelt hatte.
Wenn man wissen will, wie das heute funktioniert, sollte man auch zunächst die "Produkte" zugrundelegen, also das, was die Menschen nun inhaltlich hervorbringen. Auch heute schaffen sie ein "Mehrprodukt", mittels Technik und Wissen sogar ein viel größeres als je zuvor. Beispielsweise produzieren nur noch 500.000 Bauern bzw cirka 1 Mio in der LW Beschäftigte die Lebensmittel für 82 Mio Bürger. Das Mehrprodukt landet hier augenscheinlich nicht in irgendwelchen Unternehmertaschen sondern in den Mägen der Gesamtbevölkerung. Nun, dies nur ein Hinweis, daß sich hinter der banalen Juso-Darstellung der "Mehrwerttheorie" etwas Komplexeres verbirgt, wobei schließlich die Frage ist, ob mittels dieser alten Mehrwerttheorie die heutigen Verhältnisse überhaupt noch sinnvoll "interpretiert" werden können*5).


_____
1) ebenfalls: siehe vorherigen Artikel hier im Blog "Gegen das BGE hilft nur noch Kapitalismus pur!"
2) Bei Marx (und anderen) sind die Grundlagen der "Wirtschaft" neben den Menschen, durchaus Gebrauchswerte. Die Menschen "produzieren" keine Werte, sondern Nützliches für andere Menschen.
3) Diese Definition des "Lohnes" betrifft den Minimallohn, der dauerhaft nicht unterschritten werden konnte, weil sonst die "Proletarier" ausgestorben wären. Abhängig vom Organisationsgrad der "Arbeiterklasse", konnte der "Lohn" natürlich auch bedeutend höher sein. Das BGE ersetzt nur die "Reproduktionskosten", aber nicht vollständig Diäten, Gehälter, Tantiemen, Honorare und höhere Löhne. Nur im Niedriglohnsektor ersetzt das BGE den Lohn. Das bedeutet aber nicht, daß die Leute dann umsonst arbeiten, sondern -wie sich normal Begabte vielleicht selbst denken können: eventuell gar nicht.
4) Einen solchen "Steuerzahler" findet man in den Werken von Karl Marx interessanterweise nicht. Das ist eine dritte "Klasse", die uns also kommentarlos untergeschoben wird. Steuerzahler, wie die erwähnten (Beamte, Unternehmensberater, Bankangestellte usw) sind die "Profiteure" dieses mysteriösen Mehrwertes. Bei ihnen landet das "Mehrprodukt" z.B. in Gestalt von Autos, Waschmaschinen , Rasenmähern, Gartenzwergen usw.
5) Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kömmt aber darauf an sie zu ändern!

(korrigiert am 20.12.2010: Anmerkung 3 hinzugefügt)

Keine Kommentare: